Modellierung dynamischer Prozesse im Jugendamt

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Prozessmanagement im Jugendamt bedeutet einen intensiven Diskurs über die aktuellen Prozesse, Abläufe, internen und externen Schnittstellen und Zuständigkeiten, insbesondere im Spannungsfeld zwischen Verfahrensstandardisierung und einzelfallorientierter Leistungsgestaltung und den daraus resultierenden Anforderungen an eine technische Unterstützung, bspw. einer Fachanwendung, die das fachliche Handeln der Fachkräfte abbilden soll und nicht umgekehrt.

In verschiedenen Workshopformaten haben wir mit Fachkräften den Kernprozess §8a SGB VIII modelliert, seine Verankerung in der Organisation analysiert, Hierarchie- und Entscheidungsstrukturen aufgeschlüsselt und Kommunikationswege offengelegt. Ein weiterer Fokus lag auf der Analyse der technischen Unterstützung, der eAkte und der vorhandenen IT-Infrastruktur, wobei insbesondere die Auswirkungen auf die Fachkräfte betrachtet wurden.

Durch eine systematische Prozessaufnahme wurden die bestehenden Abläufe detailliert abgebildet und dokumentiert, um ein umfassendes Verständnis der aktuellen Gegebenheiten zu erhalten. Die Analyse umfasste sowohl formelle als auch informelle Handlungs- und Kommunikationswege und zielte darauf ab, verborgene Potenziale und Herausforderungen zu identifizieren.

Warum aber ist Prozessmanagement im Jugendamt so wichtig?

Im Kinderschutzverfahren nach § 8a SGB VIII müssen Fachkräfte das Gefährdungsrisiko einschätzen und geeignete Maßnahmen einleiten, wobei Prozessschritte, Entscheidungen und pädagogisches Handeln je nach Fallkonstellation variieren können. Nur transparente und tragfähige Prozesse unterstützen die Fachkräfte in ihrer Arbeit und stärken die Handlungssicherheit in einem risikobehafteten Arbeitsbereich. 

Das Verstehen der organisationsinternen Abläufe, die gemeinsame Erarbeitung und Darstellung der gelebten Praxis im ASD sowie die Reflexion der beobachteten Kommunikation und der erarbeiteten Prozesse ermöglicht es, Widersprüche und zusätzliche Hürden im dynamischen Alltag der Fachkräfte zu identifizieren. Informelle Lösungsstrategien zur Kompensation bestehender Prozessdefizite können visualisiert und diskutiert werden. Dies fördert einen reflexiven Diskurs, der Raum für die Formulierung von Handlungs- und Lösungsempfehlungen bietet, Unsicherheiten der Fachkräfte auffängt und Führungskräften neue Steuerungsinformationen erschließt.

In diesem Zusammenhang sind die Anforderungen an die technische Unterstützung besonders differenziert zu betrachten. Eine Fachsoftware führt zur Formalisierung und Strukturierung von Prozessen und muss daher so gestaltet sein, dass sie den Anforderungen der Praxis gerecht wird und sich an der Handlungslogik im Kinderschutzverfahren orientiert, um langfristig Akzeptanz zu finden und nicht zusätzlich informelle und individuelle Problemlösungen zu generieren, die sich nicht förderlich auf die gegenwärtige Fallbearbeitung auswirken. Dazu ist es wichtig, die Arbeit im ASD sowohl von der Handlungs- als auch von der Steuerungsebene aus zu betrachten, ein vertieftes Verständnis für die Eigenlogik von technischen Unterstützungen zu entwickeln und kommunikative Übersetzungsleistungen zwischen der pädagogischen Arbeit und den Anforderungen an die digitale Abbildung der Fachpraxis und des Qualitätsmanagements zu gewährleisten.

Was eine gute Prozessaufnahme ausmacht und welche Folgen sie hat, zeigt sich, wenn aus dem Prozess heraus auch eine Reflexion über bestehende Handlungsempfehlungen – Richtlinien etc. erfolgt, die als Orientierung dienen. Dies trägt dazu bei, Unsicherheiten abzubauen und Handlungssicherheit zu stärken.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Prozessmanagement zur Stärkung der Verlässlichkeit und Fachlichkeit der Arbeit beiträgt, Orientierung für die Fachkräfte bietet, die Handlungssicherheit erhöht und Verbindlichkeit gegenüber den Adressat:innen sicherstellt.

Wir bedanken uns herzlich bei den Fachkräften für die intensiven Workshops und freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit. Nur durch den offenen Austausch und eine kritische Haltung war es möglich, dass unsere Erfahrungen im Rahmen von Prozessmanagement-Workshops gemeinsam mit den Fachkräften zu solchen Ergebnissen geführt haben. Hier drei wesentliche Publikationen „Profil und Profilentwicklung im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD)“ von Merchel, Berghaus und Khalaf (2023), „Systemisches Management in Organisationen der Sozialen Arbeit“ von Gesmann und Merchel (2021), sowie „Entscheidungsfallen im Kinderschutzverfahren“ von Culmsee und Gutmann (2021) die aus unserer Sicht im Regal einer Führungskraft im Jugendamt nicht fehlen dürfen.

Ansprechpartner

Brinkmann, Martin

Martin Brinkmann

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Js_Sebastian Jahn

Sebastian Jahn

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